Lust und Sünde – wie ist das eigentlich?
Bisher war dieses Blog ein Experiment. Nun wird es zu dem, was es eigentlich werden sollte: ein Beitrag zu Lust und Sünde. Ich beschränke mich unter all den Lüsten, Sünden und Lastern auf die Wollust. Diese Sünde gehört in der katholischen Lehre gemeinsam mit der „Unkeuschheit“ zu den beiden „Gefährdungen“ des Menschen, die aus dem sexuellen Verlangen entstehen.
Die Behauptung geht dahin, dass aus den Wurzeln dieser Sünden weitere Verfehlungen wachsen, die wieder andere Gefahren nach sich ziehen.
Behauptung: der Keusche kommt nicht in Versuchung
Im Grunde ist die Sache einfach: Wer nur keusche Gedanken hat, der wird auch ein keusches Leben führen. Und wer ein keusches Leben führt, ist nicht der Verführung ausgesetzt, weitere Lüste zu erproben. Also wird versucht, die Keuschheit zu idealisieren – und weil es wesentlich einfacher ist, den Keuschheitsanspruch an die Frau zu stellen, werden alsbald Frauen als Garanten der Keuschheit bemüht. Das alles wird bis heute so gelehrt.
Das religiöse Modell der sexuellen Sünde mündete in das Patriarchat
Und tatsächlich funktionierte dieses Prinzip, solange die Verhältnisse in Ehe und Familie weitgehend nach dem Vorbild des „Alten Testaments“ gelebt wurden – also mindestens bis ins 19. Jahrhundert. Ob dies wirklich etwas mit der vorherrschenden Religion zu tun hatte, ist umstritten. Jedenfalls ging die ursprünglich religiös geprägte Formel nahezu nahtlos in das Patriarchat über. Ein kurzer Überblick: Männer konnten ihre Lüste ausleben, Frauen nicht. Männer schrieben das Recht fest und auch die Moral. Und Männer konnten bestimmen, nach welchen Regeln geheiratet wurde.
Frauen wurde jede Eigenständigkeit abgesprochen
Die Gedanken zu jener Zeit (bis weit ins 19. Jahrhundert hinein) beruhten darauf, dass Frauen kein eigenständiges Dasein führen konnten. Vor allem, weil nur sehr wenige Frauen über ein eigenes Einkommen oder ein eigenes Vermögen verfügten. In einem solchen Leben war auch eine eigenständige Sexualität nicht denkbar. Behauptet wurde, dass „anständige“ Frauen nicht einmal den Wunsch verspürten, geschlechtlich mit einem Mann zu verkehren. Allgemein dachten sogar Ärzte, dass eine Frau erst durch einen Mann „erweckt“ werden müsste, um geschlechtliche Lüste zu verspüren. War sie nicht auf solche Art „erweckt“ worden und verspürte sie dennoch sinnliche Lüste, so wurde sie als „nicht normal“ abgewertet. Dazu ein Zitat:
Neue moralische Sittenwächter treten auf - im alten Stil
Das heißt: Selbst als die katholische Kirche und sittenstrenge evangelikale Kreise an Einfluss verloren, traten neue Sittenwächter auf, die ähnlich dachten. Auch sie wollten Frauen daran hindern, eine eigenständige Sexualität zu entwickeln. Was zuvor als religiöse Norm galt, wurde nunmehr zur gesellschaftlichen Norm. Zwar ließ der Glaube nach, aber die Elemente einer angeblich „christlichen“ Moral blieben erhalten.
Doch was ist heute? Wie wollen wir heute leben?
Die Frage ist letztlich: Wie bewerten wir die Sexualität heute? Können wir in Lust und Wonne leben, ohne Regeln aufzustellen? Wer bewertet, was „unzüchtig“ oder gar unerwünscht ist? Was ist für uns „normal“? Und muss alles, was für uns eine Norm darstellt, auch für alle anderen Menschen gelten?
Die meisten von uns stellen sich irgendwann einmal diese Fragen. Und sie werden an uns gestellt – von Soziologen, Psychologen, Redakteuren, Moralisten und zahllosen Sektierern - mit Recht oder zu Unrecht.
Und wenn wir uns alles gefragt haben oder von allen befragt wurden, gibt es nur eine vernünftige Lösung: darüber zu sprechen, was uns bewegt. Dazu gehört auch, herauszufinden, was uns eint und was uns trennt.
Und letztlich: Wer eine Beziehung sucht, möchte auch, dass beide ein annähernd gleiches Verhältnis zu den Wonnen der Lust haben, denn unser gemeinsames Leben müssen wir auch miteinander verantworten. Und das ist genau das, worüber wir reden können - über unsere Verantwortung für die Lust, die Liebe und die Gestaltung unseres gesamten Lebens.
Zitat aus: Richard von Krafft-Ebing, Psychiater. In "Psychpathia sexualis" zuerst erschienen 1886
Die Behauptung geht dahin, dass aus den Wurzeln dieser Sünden weitere Verfehlungen wachsen, die wieder andere Gefahren nach sich ziehen.
Behauptung: der Keusche kommt nicht in Versuchung
Im Grunde ist die Sache einfach: Wer nur keusche Gedanken hat, der wird auch ein keusches Leben führen. Und wer ein keusches Leben führt, ist nicht der Verführung ausgesetzt, weitere Lüste zu erproben. Also wird versucht, die Keuschheit zu idealisieren – und weil es wesentlich einfacher ist, den Keuschheitsanspruch an die Frau zu stellen, werden alsbald Frauen als Garanten der Keuschheit bemüht. Das alles wird bis heute so gelehrt.
Das religiöse Modell der sexuellen Sünde mündete in das Patriarchat
Und tatsächlich funktionierte dieses Prinzip, solange die Verhältnisse in Ehe und Familie weitgehend nach dem Vorbild des „Alten Testaments“ gelebt wurden – also mindestens bis ins 19. Jahrhundert. Ob dies wirklich etwas mit der vorherrschenden Religion zu tun hatte, ist umstritten. Jedenfalls ging die ursprünglich religiös geprägte Formel nahezu nahtlos in das Patriarchat über. Ein kurzer Überblick: Männer konnten ihre Lüste ausleben, Frauen nicht. Männer schrieben das Recht fest und auch die Moral. Und Männer konnten bestimmen, nach welchen Regeln geheiratet wurde.
Frauen wurde jede Eigenständigkeit abgesprochen
Die Gedanken zu jener Zeit (bis weit ins 19. Jahrhundert hinein) beruhten darauf, dass Frauen kein eigenständiges Dasein führen konnten. Vor allem, weil nur sehr wenige Frauen über ein eigenes Einkommen oder ein eigenes Vermögen verfügten. In einem solchen Leben war auch eine eigenständige Sexualität nicht denkbar. Behauptet wurde, dass „anständige“ Frauen nicht einmal den Wunsch verspürten, geschlechtlich mit einem Mann zu verkehren. Allgemein dachten sogar Ärzte, dass eine Frau erst durch einen Mann „erweckt“ werden müsste, um geschlechtliche Lüste zu verspüren. War sie nicht auf solche Art „erweckt“ worden und verspürte sie dennoch sinnliche Lüste, so wurde sie als „nicht normal“ abgewertet. Dazu ein Zitat:
(Ist das Weib) geistig normal entwickelt und wohlerzogen, so ist sein sinnliches Verlangen ein geringes … jedenfalls (ist) das Weib, welches dem Geschlechtsgenuss nachgeht, (eine) abnorme Erscheinung.
Neue moralische Sittenwächter treten auf - im alten Stil
Das heißt: Selbst als die katholische Kirche und sittenstrenge evangelikale Kreise an Einfluss verloren, traten neue Sittenwächter auf, die ähnlich dachten. Auch sie wollten Frauen daran hindern, eine eigenständige Sexualität zu entwickeln. Was zuvor als religiöse Norm galt, wurde nunmehr zur gesellschaftlichen Norm. Zwar ließ der Glaube nach, aber die Elemente einer angeblich „christlichen“ Moral blieben erhalten.
Doch was ist heute? Wie wollen wir heute leben?
Die Frage ist letztlich: Wie bewerten wir die Sexualität heute? Können wir in Lust und Wonne leben, ohne Regeln aufzustellen? Wer bewertet, was „unzüchtig“ oder gar unerwünscht ist? Was ist für uns „normal“? Und muss alles, was für uns eine Norm darstellt, auch für alle anderen Menschen gelten?
Die meisten von uns stellen sich irgendwann einmal diese Fragen. Und sie werden an uns gestellt – von Soziologen, Psychologen, Redakteuren, Moralisten und zahllosen Sektierern - mit Recht oder zu Unrecht.
Und wenn wir uns alles gefragt haben oder von allen befragt wurden, gibt es nur eine vernünftige Lösung: darüber zu sprechen, was uns bewegt. Dazu gehört auch, herauszufinden, was uns eint und was uns trennt.
Und letztlich: Wer eine Beziehung sucht, möchte auch, dass beide ein annähernd gleiches Verhältnis zu den Wonnen der Lust haben, denn unser gemeinsames Leben müssen wir auch miteinander verantworten. Und das ist genau das, worüber wir reden können - über unsere Verantwortung für die Lust, die Liebe und die Gestaltung unseres gesamten Lebens.
Zitat aus: Richard von Krafft-Ebing, Psychiater. In "Psychpathia sexualis" zuerst erschienen 1886